Sonntag, 25. März 2018

Der Biber - ein Schädling für menschengemachte Natur

Wenn es um Wildtiere geht, scheiden sich oft die Geister. Natur- und Tierschützer sind froh über Artenvielfalt und einen, durch die Wechselwirkung von Flora und Fauna entstehenden,  Gewinn für die Umwelt. Wirtschaftliche Interessen von Land- und Forstwirtschaft, aber auch Hobbies wie Jagen und Fischen treten eher mit deutlicher Antihaltung auf und fordern gezielte Tötungen der Tiere zur Regulierung der Bestände. Da Wildtiere in und mit der Natur leben , nutzen sie Land und Pflanzen um sich zu ernähren, sich fort zu pflanzen und wiederum ihren Nachwuchs zu versorgen. Baumschutzverordnungen spielen für sie keine Rolle, Schilder können Sie nicht lesen und auf Besitzansprüche von Menschen legen sie ebenfalls keinen Wert. Ob es den Jagdbefürwortern nun wirklich um Naturschutz und reale Schadensansprüche oder eher um persönliche  Verlustängste, eventuell gar um Konkurrenzdenken geht, wenn durch das Umbringen von Tieren Bestände geregelt werden sollen, steht offen zur Diskussion. Tatsache ist, dass besonders ausgerottet Arten, die sich nun auch wieder in Deutschland und Bayern ansiedeln für eine aufgeheizte Stimmung sorgen. So verbreitet auch der Biber viel Unmut in seiner Umgebung.  Zu Beginn des Jahres 2018 habe ich über den Münchner Merkur von einer solchen "Biber-Krise" direkt vor meiner Haustür erfahren. Als aktive Verteidigerin von Tierrechten habe ich beschlossen mich gemeinsam mit den AkTIERvisten Oberland, einer regionalen Tierschutz- und Tierrechts-Gruppe, der ich seit kurzem angehöre, für die Biber am Staffelsee einzusetzen, um deren "Entnahme", sprich Tötung, intensiv zu prüfen, bei den Verantwortlichen Behörden zu kritisieren und öffentlich zum Thema zu machen. In diesem Artikel stelle ich nun den Biber und seine Wert für die Natur vor und erläutere ausführlich über die aktuelle Situation vor Ort.

Seit der Biber wieder in Deutschland ist spaltet er die Gemüter (Foto: Pixabay)

Der Biber ist zurück und streng geschützt

1867 wurde der letzte bayrische Biber getötet. Somit galten diese Tiere 133 Jahre lang als ausgerottet. Heute ist er EU-weit eine besonders streng geschützte Art und die Mitgliedsländer haben sich verpflichtet, den Biber und seine Lebensräume aktiv zu sichern und zu fördern. Als geschützte Art unterliegt der Biber nicht dem Jagdrecht, sondern dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), ergänzt durch durch eine ArtenschutzrechtlicheAusnahmeverordnung (AAV) der Bayerischen Staatsregierung zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit. Verantwortlich für die Umsetzung dieser Regelwerke sind in Bayern die unteren Naturschutzbehörden an den Landratsämtern. 

Nach Aussage des Bund Naturschutz e.V. gibt es den Biber seit  dem Jahr 2000 wieder im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Der Bestand ist hier seither auf 110 Reviere angewachsen. Verluste durch illegale Tötung liegen laut Schätzung des BN bei rund zehn Prozent des Bestandes. Zusätzlich gibt es eine hohe Anzahl von Fällen des illegalen Abbaus von Biberdämmen. Seit der Biber sich seinen natürlichen Lebensraum wieder zurückerobert sorgt, er für aufgeheizte Gemüter. Bei Land- und Forstwirten, sowie Fischern und Anglern erfreut er sich besonders geringer Beliebtheit. Wo ein Biber lebt, ist durch seine wasserstauenden Dammbauten, seine Gehölzaktivitäten und das Bauen von Höhlen klar ersichtlich. Da der Biber ist ein reiner Herbivor ist und ernährt er sich am liebsten von Pflanzen, wie zum Beispiel Gräsern und Wildkräutern. Dadurch fällt seine Aktivität im Sommer deutlich weniger auf. Im Winter muss er aber vor allem auf Baumrinde zurückgreifen und beschädigt somit Bäume in der Umgebung seines Reviers.  "Der Biber kann Schäden verursachen wie jedes Wildtier, tatsächliche oder auch solche, die nur im Auge des Betrachters liegen." argumentiert dazu der BN.



Ob der Biber so unbeliebt ist, weil er ein Veganer ist?

Was von den "Bibergegnern" aber leider in vielen Fällen ignoriert oder zumindest nicht außreichend berücksichtigt wird ist, dass der Biber ein "Landschaftsarchitekt" und somit ein Motor der Artenvielfalt ist. Aktionsräume des Bibers führen zu nachgewiesener Verbesserung des Lebensraums von gefährdeten Arten bei Insekten, Amphibien und Vögeln. Vom Biber verursachte Tothölzer in Gewässern entwickeln sich zu Kinderstuben von Jungfischen. Dadurch schafft der Biber echte Natur und wilden Lebensraum in dem sich Flora und Fauna wieder ursprünglicher entwickeln können. Diese Beobachtungen wurden bereits auch von verschiedenen Studien bestätigt (zum Beispiel:  Forest Ecology and Management "Beaver-created deadwood dynamics in the boreal forest" oder Science of The Total Environment  "Can beaver impact promote river renaturalization? The example of the Raba River, southern Poland")

Viele Menschen scheinen jedoch nicht über dieses Wissen zum Thema Biber zu verfügen oder es ist ihnen im Angesicht der oft nur kosmetischen Schäden in Wäldern nicht so wichtig. Zwar schaffen Menschen selbst Biotope, aber es erscheint einem oft, als sollte sich Natur nur dort frei entfalten dürfen, wo es vom Menschen gerade auch erwünscht oder eher toleriert wird. Wirtschaftliche Interessen wiegen für einige Leute wohl schwerer als Artenvielfalt und eine gesunde Natur. "Die Dynamik von Klima-, sozialem und wirtschaftlichem Strukturwandel stellt uns zunehmend vor größte Herausforderungen, insbesondere auch in der Landnutzung. Teil dieses Wandels ist ein dramatischer Schwund an Arten und Individuen wildlebender Tierarten, auch in Zusammenhang mit Lebensraumverlusten." heißt es dazu treffend in einer Stellungnahme des Bund Naturschutz.


Genehmigung zur Entnahme in Seehausen erteilt

In der Region um und am Stafflesee bei Murnau, Seehauen und Uffing im Landkreis Garmisch-Partenkirchen im Bezirk Oberbayern leben ebenfalls seit ca. 18 Jahren wieder Biber. Das erste Revier siedelte sich in der Achmündung an. Seit dem hat sich die Zahl der Reviere auf ca. 12 gesteigert. Das Gebiet rund um den Staffelsee mit seinen angrenzeden Mooren ist zum großen Teil Naturschutzgebiet. Sehr passend also, dass der ebenfalls geschützte Biber sich hier wohlfühlt und fleißig vermehrt. Es ist schließlich ein idealer Lebensraum für ihn: Wasser, Wald und wenig Besiedlung. 




kleine Karte des Staffelsees (Quelle: Gemeinde Seehausen am Staffelsee)


Doch von Bürgerseite der Gemeinden Seehausen und Uffing regt sich mittlerweile heftiger Wiederstand gegen die geschützten Tiere. Die Gemeinden klagen über eine  "Überpopulation" der Tiere und einem damit verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Schaden an alten Baumbeständen und eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch beschädigte Bäume an Spazierwegen. Laut Aussagen der Anwohner "steht fast kein Baum mehr" auf der Insel Wörth. Der Druck auf das Landratsamt Garmsich-Partenkirchen ist groß, denn die Gemeinden verlangen eine Dezimierung des Bestands um noch größeren Schaden zu vermeiden. Diese kann nur durch "Entnahmen", also das Fangen und Töten der Tiere erfolgen. Am 10.01.2018 fand dazu eine Besprechung statt und  das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen erteile die Genehmigung zur Tötung von Bibern in den Bereichen am Staffelsee-Südufer entlang des Seewaldwegs, die noch nicht zum Naturschutzgebiet zählen. In dieser Region befinden sich mindestens zwei Reviere. Weitere Gebiete sind noch in Diskussion, obwohl ein großer Teil in und um das Gewässer zum Naturschutzgebiet gehört.


Wie sieht es am Staffelsee tatsächlich aus?

Schadensaufnahme der Gemeinde Seehausen
Die Politik der Gemeinde Seehausen und Uffing am Staffelsee argumentieren mit den erheblichen Schäden in der Landschaft, die durch die Aktivität der Biber bei der Nahrungsuche und dem Burgenbau an Bäumen entstehen. Vor allem, herrscht eine große Angst vor der weiteren Vermehrung der Tiere und Reviere, wenn keine Regulierung erfolgt. So spricht die Gemeinde bereits jetzt von einer "Überpopulation" der Tiere. Begründet wird diese Angst vor allem dadurch, dass es am Staffelsee keine natürlichen "Fress-Feinde" für den Biber gibt. 

Die Berufsfischerei beklagt zusätzlich, dass sich Biber in ihren Aal-Reusen (Netzen) verheddern und diese damit stark beschädigen. Viel wichtiger erscheint mir dabei, dass die Tiere dabei qualvoll ertrinken (?!). Biber haben zwar für Säugetiere einen sehr langen Atem, müssen aber trotzen nach ca. 20 Minuten wieder Luft holen. Neun Tiere sollen so bisher den Tod gefunden haben. Besonders bedenklich finde ich dabei, dass diese Reusen nicht für heimische Fischarten gedacht sind, sondern für extra eingeführte Aale. Ein wirtschaftlich sehr wertvoller da ergiebiger Fisch, aber für die Natur äußerst bedenklich. Aale gelten als Laichräuber und minimieren damit die einheimischen Fischbestände. Dass eine solche Fischerei in einem Naturschutzgebiet stattfindet sollte ebenfalls überdacht werden.


"Baum fällt" so sieht das Werk eines Bibers aus

Biber sind sehr Reviertreue Tiere, die maximal in kleinen Familien leben. Gerechnet wird pro Revier mit Durchschnittlich 3,5 Tieren. "Es gibt keine Überpopulation an Bibern. Die Art ist da und regelt sich selbst. So wie es in der Regel jede Art tut. Mit Überpopulation ist gemeint, dass die Aktivität so deutlich wird, dass man sich bedrängt fühlt. Das ist keine fachliche Grundlage, sondern mehr ein persönlicher Eindruck der Situation." So Martin Kleiner vom Bund Naturschutz. Rund um den Staffelsee gibt es ca. 12 Biberreviere, wenn man von der Durchschnittlichen Anzahl von Tieren ausgeht, dann kommt man auf ca. 42 Tiere. In der Gemeinde Seehausen kursieren allerdings die  Zahl 100 zum Bestand der Tiere. Ob diese mutwillig in die Höhe getrieben wurden, oder die Zuständigen es einfach nicht besser wissen, bleibt reine Spekulation. Eine explosionsartige Vermehrung der Tiere ist jedoch nicht zu erwarten, von einem Revier im Jahr 2000 auf zwölf Reviere achtzehn Jahre später ist immerhin weit davon entfernt. 

links Schaden Biber an einer Buche
rechts Schaden Mensch an einer Eiche

Zusätzlich stehen in Deutschland "natürliche" Jäger wie Wolf, Luchs und Fuchs ganz oben  auf der Abschussliste. Seltsam, dass Tiere, die die Bestände nach weitläufiger Meinung dezimieren könnten, ebenfalls keine gern gesehenen Gäste sind. Dass die Natur sich nicht selbst regulieren soll, sondern dass der Mensch immer wieder bewusst eingreifen will erscheint vielen Tierschützern bereits nur als Vorwand, für das Vernichten von Konkurrenz. Doch die Regierung zieht hier meist mit. So wurde mit dem Koalitionsvertrag der neuen Regierung in Berlin von oberste Stelle ein Todesurteil für viele neu angesiedelte Wölfe in Deutschland erteilt. Beobachtungen in Ostdeutschland zeigen immerhin, dass ca. 6 - 8 % der Nahrung des Wolfes Biber sind. Doch viel wichtiger ist bei dieser Diskussion, dass nicht der Beutegreifer die Beute reguliert, sondern andersherum. Beziehungsweise, dass Arten sich selbst regulieren und unter Bejahung die Bestände eher noch ansteigen. "Studien in der Schweiz haben gezeigt, dass sich der Wildbestand von selbst reguliert und ein Level erreicht, das vom Ökosystem getragen werden kann." (Quelle: WDR "Quarks") 
 



Für die Forstwirtschaft abgeholzte Bäume

Beim einem Gang um den Staffelsee fällt uns zusätzlich auf, dass durch den Menschen deutlich mehr Bäume fallen als durch den Biber. Problem kann also nicht die Masse an Bäumen sein, sondern die Qualität der Bäume, so hält sich ein Tier natürlich nicht an Schutzverordugen und nagt an dem Baum, der gerade am besten schmeckt. Es ist natürlich nicht wünschenswert, wenn über Jahrzehnte gewachsene Bäume nun sterben müssen. Auffällig ist dabei jedoch, dass es allgemein nur noch sehr wenige davon gibt. Intensive Forstwirtschaft hat sich seit Jahrzehnten auf schnell wachsende Nadelbäume wie Fichten fokussiert und keine Buchen oder Eichen für einen weiteren Bestand nachgepflanzt. Wäre dies vor 20 Jahren mit dem Wiederauftreten des Bibers bereits geschehen, wären die Baumschäden vermutlich weitaus weniger relevant. Außerdem sind am Staffelsee kaum Bäume durch Zäune oder Anstriche geschützt, wie es der Bund Naturschutz empfiehlt. Trotzdem ist der Biber keine "Baumvernichtungsmaschine" die in Rekordzeit den ganzen Wald abholzt. Lässt man dem Tier seinen Baum eine Weile stehen, bzw. liegen, dass nagt er ihn eifrig komplett ab. Sobald der Biber mit einem Baum fertig ist kann dieser vom Menschen weiter für Brennholz genutzt werden. Der Wirtschaftliche Schaden lässt sich also mit etwas sinnvoller Regelung der Vorgänge in Grenzen halten. Hilfe hierbei bieten der Bund Naturschutz und spezielle "Biberberater" an. Wenn trotzdem ein wirtschaftlicher Schaden entsteht, sorgt der Ausgleichsfonds der Freistaats für Unterstützung. Bei Problemen mit Bibern sollte unbedingt vorab eine Monitoting Maßnahme, ein sogenanntes "Bibermanagement", beantragt werden um Schäden zu vermeiden und einen Ausgleich der entstehenden Kosten zu erwirken.



Ein vom Biber gründlich abgenagter Baum


Natur- und Tierschutz stärken gemeinsam den Protest

Die AkTIERvisten Oberland und der Bund Naturschutz e.V. Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen wollen das nicht einfach so hinnehmen und haben bereits gegenüber der Politik und der Presse in Interviews und mit Schreiben für den Biber argumentiert. Passiert ist bisher leider nur wenig. Mittlerweile gab es bereits schriftliche Stellungnahmen vom Landratsamt Garmisch-Partenirchen und dem 1. Bürgermeister von Murnau. Die Gemeinde Seehausen hat die AkTIERvisten und den Bund Naturschutz zu einer Begehung der Biberreviere am Staffelsee eingeladen, um die Lage genauer zu zeigen und zu schildern. Der Termin steht noch aus. Bereits davor hatte ein Treffen mit dem BN und den AkTIERvisten in Seehausen/Murnau stattgefunden. Der Vorsitztende der Ortsgruppe Oberes Ammertal Herr Martin Kleiner führte die Tierrechter durch zwei der zwölf  Biberreviere entlang des Seewaldwegs am Staffelsee. "Für unser mitteleuropäisches Ökosystem ist der Biber nur positiv." erklärte Martin Kleiner als Fazit zum Biber.



Martin Kleiner zeigt den AkTIERvisten die Biberreviere rund um den Staffelsee

 

Unser Protest ist Maßgeblich  

Der Bund Naturschutz befürchtet vor allem die Schaffung eines Präzedenzfalls, wenn die Entnahme am Staffelsee reibungslos genehmigt und durchgeführt wird. "Auf einen Schlag könnten somit ca. die Hälfte der anderen Biberreviere im Landkreis auch auf die Abschussliste kommen." so Martin Kleiner. Ein fatales Signal und ein Armutszeugnis.

Der Biber ist Teil unserer natürlichen Artenausstattung. Die hohe Artenvielfalt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen gilt es zu erhalten und nicht wieder auszurotten. Andere Landkreise in Bayern wären froh, wenn sie einen solchen Schatz noch hätten“, sagt Herr Doering vom Bund Naturschutz.

Laut Berichten sollen in den letzten Monaten drei weitere Tiere getötet worden oder zu Tode gekommen sein. Hier kursieren jedoch verschiedenen Aussagen, so wurde erst kürzlich ein Foto, dass einen erschlagenen oder gebissenen Biber zeigt als Falsch-Info enttarnt, da dieses bereits aus dem Jahr 2015 stammt. Aktuell haben die Biber Schonzeit, diese geht von März bis zum September und macht aktuell eine offizielle Tötung der Tiere unmöglich. Illegale Tötungen können wir jedoch auch für diese Zeit nicht ausschließen.

Natur- und Umweltschutz setzten sich gemeinsam für den Schutz der Biber am Staffelsee ein, denn es sollte nicht zum Regelfall werden, dass wirtschaftliche oder persönliche Interessen schwerer wiegen als der Schutz und die Rechte von Tieren. Wir möchte die Politik und die Menschen durch unseren Protest zu nach- und umdenken anregen. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der sich die Menschen nicht mehr als entkoppelte oder sogar übergestellte Lebensform, welche die Natur nach eigenem Ermessen beherrschen und formen muss, verstehen. Sondern eine Gesellschaft, in der wir uns als Teil der Welt wahrnehmen und den Anspruch haben mit allen Lebenwesen in Harmonie zusammen zu leben.

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